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Wilhelmsdorf ist eine Gemeinde im westlichen Landkreis Ravensburg in Baden-Württemberg.

An Wilhelmsdorf grenzen die Gemeinden Riedhausen, Guggenhausen, Fleischwangen, Fronreute und Horgenzell im Landkreis Ravensburg sowie Illmensee und Ostrach im Landkreis Sigmaringen.

Zur Gemeinde Wilhelmsdorf gehören die Ortsteile Esenhausen, Pfrungen und Zußdorf.

Im Gegensatz zu den gewachsenen Gemeinden der Umgebung ist Wilhelmsdorf 1824 als pietistische Siedlung planmäßig gegründet worden. Nach der Einführung einer neuen Liturgie für die württembergische Landeskirche war im württembergischen Pietismus starker Widerstand aufgekommen, weil viele Menschen die neue Gottesdienstordnung als unchristlich ansahen.

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Als in den Jahren 1816/17 eine riesige Auswanderungswelle einsetze, verließen auch zahlreiche Pietisten das Land. Es gelang dem Leonberger Bürgermeister Gottlieb Wilhelm Hoffmann, bei König Wilhelm I. von Württemberg eine Genehmigung zur Begründung einer religiösen Siedlung auf dem Rittergut Korntal in der Nähe der Residenzstadt Stuttgart zu erlangen. Diese Brüdergemeinde hatte das Recht, ihre religiöse Verfassung selbst zu bestimmen, war aber ansonsten an die württembergischen Gesetze gebunden. Weitere Siedlungsgründungen lehnte der König jedoch ab, da er die Entstehung einer größeren nichtkirchlichen Religionsgemeinschaft fürchtete. Erst als Gottlieb Wilhelm Hoffmann anbot, das Lengenweiler Moosried bei Pfrungen trocken zu legen, gestattete der König die Errichtung einer „Kolonie“ als Tochtersiedlung von Korntal. Dazu schenkte er der evangelischen Brüdergemeinde Korntal Land aus seinem Privatbesitz im unfruchtbaren Moor des Pfrunger Rieds. Da er auch den Aufbau der Siedlung unterstützte, wurde der Ort nach ihm benannt. Wilhelmsdorf und Korntal sind so genannte Brüdergemeinden, das heißt nicht-landeskirchliche Gemeinden nach Herrnhuter Vorbild.

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Im Januar 1824 trafen die ersten Siedler ein und begannen mit der Trockenlegung des Moorgebiets. Sie kamen jedoch aus dem zentralen Teil Württembergs und verfügten über keine Erfahrung über die Bewirtschaftung solcher Flächen. Außerdem war das Unternehmen unterkapitalisiert, so dass die Siedler von vornherein auf finanzielle Unterstützung durch den König angewiesen waren. Durch königliche Privilegien gelang es mit der Zeit, das Moor urbar zu machen. Allerdings geriet die Siedlung in eine schwere wirtschaftliche Krise und schließlich in den Konkurs. Nur durch die Ausweisung von einem Drittel der Familien und hohe Spenden der württembergischen Pietisten konnte der Fortbestand gesichert werden. Inmitten des katholischen Oberschwaben entwickelte Wilhelmsdorf ein eigenständiges Leben, allerdings weiterhin geprägt durch schwierige Rahmenbedingungen und ungünstige Voraussetzungen für die Landwirtschaft.

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Neben der Landwirtschaft waren in Wilhelmsdorf soziale Einrichtungen begründet worden, die sich im 19. Jahrhundert erfreulich entwickelten. Auch sie trugen maßgeblich zur Erhaltung der Gemeinde bei. Es entwickelten sich vielfältige diakonische Einrichtungen mit Schulen, Heil- und Pflegeanstalten und Bildungsstätten.

Während der NS-Gewaltherrschaft wurden am 24. März 1941 19 Patienten aus der damaligen evangelischen Taubstummenanstalt Wilhelmsdorf, trotz der hinhaltenden Verweigerungshaltung des damaligen Leiters Heinrich Hermann, durch die „Grauen Busse“ der „Gemeinnützige Krankentransport GmbH“ (Gekrat) ins Psychiatrische Landeskrankenhaus Weinsberg deportiert. Unter den 19 Deportierten befanden sich auch zwei Frauen aus der Diakonie Stetten, wo sie bereits zur „Desinfektion" ausgewählt, aber vom dortigen Personal versteckt worden waren, nach Wilhelmsdorf gebracht worden. Von den 19 Frauen und Männern, die im Zuge der "Euthanasie"-Tötungsaktion T4 in der hessischen NS-Tötungsanstalt Hadamar bei Limburg an der Lahn vergast werden sollten, kehrte nur Ernst Weiß nach Wilhelmsdorf zurück. Die Tötungsanstalt Schloss Grafeneck war zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen. Eine im Jahr 1985 erstellte Bilderwand erinnert seither im Eingangsbereich des Rotachheims der Zieglerschen Behindertenhilfe an das Geschehene. Der Titel „Vor Gott ist nicht einer vergessen“ ist angelehnt an Lukas 12,6. Zwei Gedenksteine auf dem Ortsfriedhof erinnern ebenfalls an dieses Geschehen.

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Die Einrichtungen der Zieglerschen Anstalten, wie beispielsweise die Gotthilf-Vöhringer-Schule, eine Fachschule unter anderem für Arbeitserziehung und Heilerziehungspflege, haben Wilhelmsdorf weit über die nähere Umgebung hinaus bekannt gemacht und prägen den Charakter der Gemeinde bis heute.

Die heutige Gemeinde wurde im Zuge der Gebietsreform in Baden-Württemberg am 1. Januar 1973 durch Vereinigung der Gemeinden Wilhelmsdorf, Esenhausen, Pfrungen und Zußdorf neu gebildet. Dabei sind die ehemaligen badischen Ortschaften (Landkreis Überlingen) Höhreute, Niederweiler und Tafern der Gemeinde und damit dem Landkreis Ravensburg zugeschlagen worden.

Pfrungen

Im Jahr 1436 erwarb die Deutschordenskommende Altshausen die niedere Gerichtsbarkeit im Ort Pfrungen vom Ravensburger Patrizier Konrad Gremlich. Die hohe Gerichtsbarkeit lag bei der Herrschaft Fürstenberg-Heiligenberg. Damit besaß der Deutsche Orden Rechte in einem Ort, der als Exklave inmitten anderer Herrschaften lag, einige Kilometer entfernt von der kleinen geschlossenen Deutschordensherrschaft. Neben den Lehengütern des Deutschen Ordens besaßen auch andere Herrschaften Güter, so die Geistlichkeit von Pfullendorf einen Lehenhof, das Kloster Salmansweiler ein Lehenhof und die Grafschaft Fürstenberg-Heiligenberg sieben Lehengüter. Deshalb mussten die beteiligten Herrschaften stets miteinander verhandeln.

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Bis zur Säkularisation und Mediatisierung blieb diese Situation bestehen. Im Jahr 1806 ließ der nunmehrige Großherzog von Baden den Ort besetzen und beanspruchte ihn für sich. Auf dem Verhandlungsweg gelang es jedoch König Friedrich von Württemberg, die gesamte Deutschordenskommende Altshausen in seinen Besitz zu bringen, so dass Pfrungen im Jahr 1807 württembergisch wurde.

Esenhausen

Esenhausen ist eine eigenständige Kirchengemeinde als Teilgemeinde von Wilhelmsdorf und liegt östlich davon an den Lengenweiler See angrenzend. Der Lengenweiler See, ein Landschaftsschutzgebiet, ist ein so genanntes Toteisloch. Das Wappen zeigt in Schwarz eine zweitürmige goldene Burg mit einer Tür im rechten Turm.

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Zußdorf

Zußdorf wurde im Jahre 1177 erstmals urkundlich erwähnt und bildete im Mittelalter den Mittelpunkt einer kleinen Herrschaft im so genannten Zocklerland. Zußdorf wurde zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs durch Brand fast völlig zerstört.

Zußdorf ist heute ein gutes Beispiel für den Strukturwandel einer oberschwäbischen Dorfes. Die Landwirtschaft befindet sich auf dem Rückzug und wird aus dem Dorf heraus verlagert; ehemals üppige Streuobstwiesen sind von Neubaugebieten verdrängt worden. Heute besitzt das Dorf viele Vereine, Geschäfte und besondere Gebäude, die in den anderen umliegenden Ortschaften nicht vorhanden sind. Der amtierende Ortsvorsteher ist Martin Knaus. Kindergarten und Grundschule sind in Zußdorf vorhanden.

 

Vereine: Musikverein, Feuerwehr, Theaterverein, Sportverein, Männergesangsverein, Katholische Landjugendbewegung, Narrenverein, Volkstanzgruppe, Krieger- und Soldaten-Verein, Blutreiter, Förderverein Dorfgemeinschaftshaus und KAB.

Das Bräuhaus in Zußdorf ist das einzige Wirtshaus, das im Dorf überlebt hat und war ehemals Zentrum der Brauerei Luck (Zocklerbräu). Die verschiedenen anderen ortsprägenden Gebäude wie der Eiskeller wurden im Zuge der Dorfsanierung Anfang der 1980er Jahre abgerissen.

Gebäude: Das Veranstaltungs- und Dorfgemeinschaftshaus Schalander, die katholische Kirche, das Kaufhaus Spaeht oder der Biolandhof Gebhardt.

Während der Kernort weiterhin von der pietistischen evangelischen Brüdergemeinde geprägt wird, hat sich in den Teilorten Esenhausen, Pfrungen und Zußdorf die römisch-katholische Dominanz erhalten.

Die Gemeinde Wilhelmsdorf ist Teil der Ferienregion „Nördlicher Bodensee“.

Wilhelmsdorf beheimatet das private Museum für bäuerliches Handwerk und Kultur. Es wurde 1985 im Stil eines Bauernhauses aus der Zeit um 1880 erbaut und zeigt von einer kleinen Schaufel bis hin zu Christus-Kreuzen oder Haushaltsgegenständen die Bandbreite bäuerlichen Lebens respektive handwerklicher und kultureller Gegenstände Süddeutschlands (Bayern und Region Bodensee–Oberschwaben). Neues Schmuckstück im Museum ist eine Weinpresse von 1860 mit Schnitzereien und vier Holzspindeln. Die Presse aus dem Deggenhausertal stammte zwar aus einer österreichischen Weingegend, wurde aber in ähnlicher Bauart auch im Bodenseegebiet gefertigt.

Das Bauernhausmuseum zeigt eine Zeit um das Ende des 19. Jahrhunderts. Da ist der Stall, an dessen Decke historische Gerätschaften hängen und in dem die „zehn Gebote des Gewinns von sauberer Milch“ zu lesen sind. Auf der gleichen Etage befindet sich das bäuerliche Schlafzimmer mit historischer Bettwäsche, Nachthafen und Kinderwiege, gleich daneben die gute Stube mit Ofen, einem alten Spinnrad und gemütlicher Sitzecke. Weiterhin sind in den zahlreichen Vitrinen und Schränken im Obergeschoss Ziegel zur Abwehr böser Geister, Schrättele-Gatter zum Schutz vor Hexen, ein Spiegel, der Böses abwenden sollte, Kastanienkugeln gegen Rheuma und Gicht, ein Wetterkorn zum Schutz vor Gewitter, Hexensalben oder Steine Steine mit einem von der Natur geformten Loch, Brautkronen, kleinen Madonnenstatuen, Gebetsketten und eine Zauberwurzel, die Glück und Fruchtbarkeit verspricht zu sehen.

Die Sammlung, zu der auch eine Schäfer-Schippe und Inhalte eines Krämerladens früherer Jahrhunderte gehört, geht zurück auf jahrzehntelanges Sammeln des Museumsleiters.

Schmuckstück des Anwesens ist die 1993 geweihte barocke Hofkapelle mit Zwiebelturm, in deren direkter Nachbarschaft ein Kornspeicher steht und das Brenn- und Backhäuschen sowie ein Holzschuppen.

Der gemeinnützige Kulturverein Wilhelmsdorf e.V. (ehemals Theatergruppe Wilhelmsdorf) wurde 1983 gegründet und betreibt in Wilhelmsdorf ein eigenes Theaterhaus, „die Scheune“, das von den Vereinsmitgliedern, insbesondere von der Familie der Besitzer der Scheune, zum Theaterhaus umgebaut wurde. Die Einweihung der Scheune war im Jahr 1989. Seitdem finden dort im Durchschnitt wöchentlich Events, Konzerte, Ausstellungen, Filmvorstellungen und Theaterstücke statt. Finanziert wird das durch die Gewinne des „Theaters in der Scheune“, Spender und Zuschüsse der Gemeinde Wilhelmsdorf.

Das Pfrunger Ried ist nach dem Federsee mit 2600 Hektar das zweitgrößte Moorgebiet Baden-Württembergs. Im Jahr 2002 wurde das Pfrunger Ried in das Naturschutz-Großprojekt des Bundes aufgenommen.

Unter Wilhelmsdorf, in einem Gebiet, das sich vom Illmensee bis Fronhofen erstreckt, liegen die größten Erdöl- und Erdgasvorkommen Baden-Württembergs. Die Förderung durch die Preussag wurde 1997 nach 32 Jahren eingestellt. Die dabei entstandenen Hohlräume in etwa 1700 bis 1900 Meter Tiefe werden heute als Untertagespeicher für Erdgas aus Russland genutzt. Der von Storengy, einer Tochtergesellschaft der GDF Suez, betriebene Porenspeicher hat ein Gesamtvolumen von 153 Mio. Kubikmeter.

Die Gemeinde ist mit einigen Buslinien u.a. mit Altshausen und Ravensburg verbunden und gehört dem Bodensee-Oberschwaben Verkehrsverbund (bodo) an.

Mit einem Gymnasium, einer Realschule und der Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule gibt es alle in Baden-Württemberg üblichen Schulformen. Daneben bestehen eine evangelische Fachschule (Gotthilf-Vöhringer-Schule) für Berufe im sozialen Bereich und mehrere Sonderschulen. Für die Jüngsten gibt es sechs Kindergärten. Während diese – bis auf den Waldkindergarten – im Kernort pietistisch geprägt sind, unterstehen sie in den Teilorten der römisch-katholischen Kirche.

Das Gymnasium Wilhelmsdorf hat eine über 100-jährige Geschichte. Hervorgegangen ist es aus dem sogenannten „Knabeninstitut“, einem der renommierten evangelischen Internate in Württemberg, das bereits 1857 gegründet wurde. Erst 1999 schlossen die Zieglerschen das Internat und übergaben die bis dahin in privater Trägerschaft der Zieglerschen geführte Oberstufe des Gymnasiums an den öffentlichen Schulträger.

Söhne und Töchter der Gemeinde

  • Andreas Reichle (1861–1921), geboren in Pfrungen, Oberbürgermeister von Ravensburg von 1904 bis 1921
  • Bernhard Hanssler (1907–2005) geboren in Tafern, Begründer des Cusanuswerks
  • Gerhard Stäbler (* 1949), Komponist
  • Florian Schulz (* 1975), gilt als einer der besten Naturfotografen der Welt mit Preisen von Nature's Best, Gesellschaft Deutscher Tierfotografen, Banff Mountain photo competition und BBC wildlife photographer of the year

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Wilhelmsdorf aus der freien Enzyklopädie Wikipedia.
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Das Foto basiert auf dem Bild "Betsaal am Saalplatz" aus dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist Andreas Praefcke.