Kelsterbach ist eine kreisangehörige Stadt im hessischen Kreis Groß-Gerau. Sie liegt am südwestlichen Stadtrand von Frankfurt am Main in einem Flussbogen am linken Mainufer unmittelbar an der Mündung des gleichnamigen Bachlaufs. Das ursprünglich weitgehend landwirtschaftlich geprägte Dorf wandelte sich nach dem Bau der Bahnlinie Frankfurt–Mainz ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts stark. Die Ansiedlung großer Fabriken und die Nachbarschaft zu den Chemiewerken in Höchst am Main und Griesheim zog einen großen Bevölkerungszuwachs nach sich. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kamen viele Unternehmen hinzu, die mit dem nahe gelegenen Frankfurter Flughafen in Beziehung stehen. Heute haben in Kelsterbach 13.363 Einwohner ihren Hauptwohnsitz (Stand: 31. Dezember 2009). Der Ort ist bedeutender Standort für Logistikdienstleister und chemische Produktion. 1952 wurde er zur Stadt erhoben. Geographische Lage Die Stadt liegt am linken beziehungsweise östlichen und südöstlichen Ufer des Flusses Main und westlich des Frankfurter Stadtwalds. Der allgemein als Unterdorf bezeichnete ursprüngliche Ortskern im Norden des Stadtgebiets grenzt sich scharf von dem wesentlich größeren, allgemein Oberdorf genannten Siedlungsbereich ab, der erst mit dem Bau der Bahnlinie und der Industrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts oberhalb der etwa 17 Meter hohen Kelsterbacher Terrasse entstand, die sich vom Frankfurter Stadtwald acht Kilometer nach Westen zieht. Kelsterbach ist Teil der Stadtregion Frankfurt sowie der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main. Nachbargemeinden Kelsterbach grenzt im Westen an Okriftel, einem Stadtteil von Hattersheim am Main (Main-Taunus-Kreis), im Norden an die Stadtteile Sindlingen, Höchst und Schwanheim der kreisfreien Stadt Frankfurt am Main, im Osten und Süden an das Areal des Flughafens Frankfurt am Main sowie im Südwesten an die Stadt Raunheim. Stadtgliederung Zwar ist im Volksmund für den alten Ort am Main vom Unterdorf die Rede, während die Lage oberhalb der Kelsterbacher Terrasse Oberdorf genannt wird, offiziell gibt es jedoch keine Ortsteile.
Geschichte Steinzeit Bronze- und Eisenzeit Die Römer Mittelalter Bei der Erbteilung 1565 übernahm Graf Wolfgang von Ysenburg-Ronneburg die Regentschaft. 1566 begann er mit dem 21 Jahre dauernden Bau des Kelsterbacher Schlosses, dessen Aussehen vor allem durch einen Stich von Matthäus Merian überliefert ist. Der Sitz des Amtes Langen wurde nach Kelsterbach verlegt. Durch den Glaubensübertritt des Landesherrn wurde Kelsterbach im Jahr 1583 calvinistisch. In diesem Jahr gründete der Graf auch die erste Schule. Nach seinem Tod im Dezember 1597 wurde er in der Kelsterbacher Schlosskapelle beigesetzt. Sein Nachfolger wurde sein Bruder Heinrich, der Wolfgang um 4 Jahre überlebte. In dieser Zeit führte er die ererbten Gebiete wieder dem Luthertum zu. Dies führte zu erheblichen Spannungen im Ysenburger Grafenhaus. Angesichts des nahen Todes handelte Heinrich daher einen Vertrag mit Landgraf Ludwig aus, wonach das Amt Kelsterbach nach seinem Tod an Hessen-Darmstadt fallen sollte, um eine Rückkehr zum reformierten Glauben zu verhindern.
Neuzeit Der heimliche Verkauf des Amtes Kelsterbach an Hessen-Darmstadt führte zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten vor dem Reichskammergericht, die sich von 1601 bis 1711 mit wechselnden Vorteilen hinzogen und letztlich mit einer vollständigen Niederlage des Hauses Ysenburg-Büdigen endeten. Zwischenzeitlich war das Kelsterbacher Schloss im Dreißigjährigen Krieg durch die Schweden zerstört worden. Landgraf Ernst Ludwig plante ob der verkehrsgünstigen Lage, Kelsterbach zu einer Handwerkerstadt auszubauen. Von 1699 bis 1712 wurde dazu die großzügig angelegte heute noch bestehende Neukelsterbacher Straße mit zweigeschossigen Wohn- und Arbeitshäusern errichtet, in der calvinistische Flüchtlinge angesiedelt werden sollten. Vielfältige Probleme führten zum Scheitern dieses Vorhabens. Mitte des 18. Jh. übernahm Landgraf Ludwig VIII. eine zuvor private Fayence-Fabrik, um daraus eine Porzellanmanufaktur zu machen. Der in Meißen ausgebildete Porzellanmaler Christian Daniel Busch wurde mit deren Leitung beauftragt. Namhaftester in Kelsterbach arbeitender Porzellankünstler war Carl Vogelmann. Die Manufaktur (Kelsterbacher Porzellan) bestand nur zwischen den Jahren 1761 bis 1768, ihre Produkte sind in der Großherzoglich-Hessischen Porzellansammlung in Darmstadt ausgestellt und können in einem Online-Katalog eingesehen werden. 2011 wurden im Prinz-Georg-Palais in Darmstadt die Sammlungsteile mit Kelsterbacher Porzellan anlässlich der 250 Jahrfeier der Manufaktur gezeigt. 1756 wurde der Amtssitz nach Mörfelden verlegt, der Name Amt Kelsterbach blieb dennoch bestehen.
Im 1821 gegründeten Darmstädtischen Verwaltungsbezirk Groß-Gerau, der schon 1832 als Kreis Groß-Gerau institutionalisiert wurde, wurden die Verwaltungsbezirke neu organisiert und das ehemalige Amt Kelsterbach aufgeteilt. Der Amtssitz befand sich nun in Langen. Fortan teilte Kelsterbach bis heute die Geschichte und territoriale Zuordnung des Kreises Groß-Gerau. 1900 wurde die Arbeitersiedlung Helfmannstraße gebaut. Einen großen Entwicklungsschritt bedeutete 1904 die Umwandlung der im Jahr 1899 gegründeten Waggonfabrik in die Vereinigte Kunstseidenfabrik, später Vereinigte Glanzstoff AG. Dieses Werk bestimmte sodann für nahezu einhundert Jahre wesentlich die weitere Entwicklung des damals etwa 3.000 Einwohner zählenden Ortes, ehe es im Jahr 2000 der Globalisierung zum Opfer fiel. Großes Kopfzerbrechen bereitet derzeit die weitere Verwendung des riesigen, mitten im Ort gelegenen Areals. Im Zweiten Weltkrieg befand sich in Kelsterbach ein Durchgangslager für ausländische Zwangsarbeiter, die meist aus Osteuropa stammten. Daher wurde es auch Russenlager genannt. Das Lager befand sich in der Nähe der Autobahn beim heutigen Umspannwerk. Erhebliche Gemarkungsflächen gingen ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die zunehmende Ausdehnung des südlich angrenzenden Frankfurter Flughafens verloren. Kelsterbach musste im Zuge der hessischen Verwaltungsreform seinen gesamten, 733 Hektar großen Geländeanteil am Flughafen an Frankfurt abgeben (Grenzänderungs- und Auseinandersetzungsvertrag am 14. Oktober 1975 mit Frankfurt/M.). Da eine wichtige finanzielle Grundlage verloren zu gehen drohte wurde eine „Vorteilsausgleichszahlung“ vereinbart. Diese Entwicklung dauert weiterhin an und stellt die kommunale Selbständigkeit zunehmend in Frage, da Kelsterbach mehr und mehr vom übrigen Gebiet des Kreises Groß-Gerau abgeschnitten wird. Im Jahr 1974 konnte durch den Beitritt zum Umlandverband Frankfurt die im Zuge der Gebietsreform in Hessen drohende Eingemeindung nach Frankfurt noch einmal abgewendet werden. Kelsterbach erhielt die Stadtrechte 1952, gemeinsam mit Raunheim. Religionen In Kelsterbach gibt es drei Gemeinden der Evangelische Kirche in Hessen und Nassau: die Christuskirchengemeinde, die Friedensgemeinde und die St. Martinsgemeinde. Zum Dekanat Rüsselsheim im Bistum Mainz der Katholischen Kirche zählt die Kirchengemeinde Herz-Jesu, die Gottesdienste in der Herz-Jesu Kirche und in der Sankt Markus Kirche feiert. Städtepartnerschaften
Wirtschaft und Infrastrukur Verkehr Straßenverkehr
Seit Frühjahr 2010 ist die B 43 durch die Ortslage Kelsterbachs zu einer Ortsstraße abgestuft worden und ist nunmehr in die Verantwortung der Stadt übergegangen. Die Verantwortlichen der Stadt haben eine umfangreiche neue Verkehrsregelung erarbeitet, die sicherstellen soll, dass der gesamte Schwerlastverkehr (ab 3,5 Tonnen) über die B 40, den Airportring und die Okrifteler Straße umgeleitet werden. Somit wollen die Verantwortlichen sicherstellen, dass der rege Durchgangsverkehr auf der alten B 43 verhindert wird und der für die Kelsterbacher Gewerbegebiete bestimmte Zielverkehr über die Anschlussstelle Kelsterbach Süd der A3 Kelsterbach erreicht. Eisenbahn Durch Kelsterbach führt die Mainbahn, von ihr zweigt im Bahnhof Kelsterbach die Flughafenstrecke zum Flughafen Frankfurt am Main ab. Auf beiden Strecken fahren die S-Bahn-Linien S8 und S9. Diese führen binnen drei Minuten zum Frankfurter Flughafen, in fünfzehn Minuten zum Frankfurter Hauptbahnhof sowie in 30 Minuten in die Landeshauptstadt Wiesbaden. Öffentlicher Personennahverkehr
Infrastruktur Im Jahr 1926 entstand im Zuge des Baus der Nord-Süd-Leitung in der Nähe von Kelsterbach eine große Umspannanlage. Heute verfügt dieses Umspannwerk, welches der RWE AG gehört, über die Spannungsebenen 380, 220 und 110 kV. Wegen des Ausbaus des Frankfurter Flughafens mussten die zu diesem Umspannwerk von südlicher Richtung kommenden Hochspannungsleitungen mehrfach neu verlegt werden. Sie werden heute auf Masten mit niederer Bauhöhe in Einebenenanordnung westlich des Frankfurter Flughafens vorbeigeführt. Wegen des geplanten Baus der Landebahn Nordwest wurde das Umspannwerk in den Jahren 2006 und 2007 verlegt und modernisiert. Kelsterbach verfügte über ein großes kombiniertes Hallen- und Freizeitbad, das im März 2008 geschlossen wurde und mittlerweile durch ein neues und kleineres Sport- und Feizeitbad ersetzt wurde. Außerdem sind eine der größten und modernsten Stadtbüchereien im Kreis Groß-Gerau (Hessischer Bibliothekspreis 2008) sowie eine Integrierte Gesamtschule, mehrere Grundschulen und eine Sonderschule vorhanden. Als einzige kreisangehörige Kommune in Hessen (abgesehen von den Städten ab 50.000 Einwohnern mit Sonderstatus) hat Kelsterbach noch selbst die Schulträgerschaft. Die sieben Kindergärten unter kirchlicher Leitung werden von der Stadt koordiniert und finanziell unterstützt. Im ehemaligen Schloss ist ein Jugendzentrum untergebracht. Ausgeprägte Einkaufsmöglichkeiten sind – abgesehen von Lebensmittelmärkten – derzeit vor Ort kaum vorhanden, jedoch ist ein Einkaufszentrum im Bau (Stand 2008). Zur Naherholung stehen das schön angelegte Mainufer, der im Sommer stark frequentierte Südpark und ein ausgedehnter Stadtwald mit See und Wildgehege zur Verfügung. Abgesehen vom Mainufer werden diese Flächen aber weitgehend von der Fraport AG für die Ende 2007 von der Planfeststellungsbehörde genehmigte Erweiterung des Frankfurter Flughafens beansprucht. – Oberhalb des Kelstergrundes ist – unweit des Schwimmbads – noch der Standort der Schwedenschanze bekannt, von dem aus die Schweden im Dreißigjährigen Krieg das damalige Schloss zerschossen. Radwanderwege Am Mainufer verlaufen mehrere Radwanderwege:
Ansässige Unternehmen Kelsterbach profitiert von und leidet gleichzeitig an der Nähe zum Frankfurter Flughafen, das Gewerbegebiet Kelsterbach-Süd grenzt direkt an den Flughafen an. Zahlreiche Logistik-Dienstleister haben hier Niederlassungen, unter anderem
Auf dem 110 Hektar großen Mönchhof-Gelände, dem ehemaligen Raffinerie-Standort am Main, wird durch die Fraport AG ein neues Industrie- und Gewerbegebiet erschlossen, auf dem sich mittlerweile die ersten Unternehmen – überwiegend weniger personalintensive Logistikfirmen – angesiedelt haben. Insgesamt sollen hier bis zu 6.000 Arbeitsplätze entstehen. Stadt der Vereine In den Sportstätten und den städtischen Räumlichkeiten findet ein reges Vereinsleben (ca. 90 Vereine und Organisationen) statt. Kelsterbach nennt sich daher auch Stadt der Vereine. Neben vielen kulturellen Veranstaltungen ist Kelsterbach weit über die Stadtgrenzen hinaus für seine traditionelle Kerb am ersten Sonntag im September bekannt, die auch heute noch von einer großen Zahl sogenannter Kerweborsch getragen wird. Auch das Altstadtfest eine Woche später wird wesentlich durch die Beteiligung der örtlichen Vereine mit gestaltet. Die Kelsterbacher Vereine, Organisationen und Verbände organisieren außerdem eigene Veranstaltungen im Bereich des Sports, der Musik und des Gesangs, aber auch in der Aus- und Fortbildung, der Hobbykunst und diversen Feldern des öffentlichen und sozialen Lebens sind sie tätig. Dabei ist auch die DLRG Kelsterbach, die eine der erfolgreichsten Mannschaften im Rettungsschwimmen besitzt. Dem Artikel Kelsterbach aus der freien Enzyklopädie Wikipedia. Das Foto basiert auf dem Bild "Neubarocke katholische Herz-Jesu-Kirche" aus dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist A. Köhler. |